Interview-Partner: Liesa [Kinderbuchbloggerin]
🐧 Hallo Liesa, beim Stöbern in Deinen Kinderbüchern, über die Du in Deinem Blog schreibst bin ich an einem Beitrag zu Lenny Hunter hängen geblieben. Sicherlich zum einen weil ich Silvio Neuendorf einmal als Gast in einem Pinguin Interview hatte, aber auch weil Du offensichtlich wert darauf gelegt hast neben dem Autor auch den Illustrator zu erwähnen. Wie wichtig sind Dir generell Illustrationen?
🐶 Hallo Bo, da beginnst du direkt mit einem der wichtigsten Themen. Gerade im Kinderbereich sind für mich die Illustrationen von immenser Bedeutung. Je nach Alter sogar wichtiger als die Texte, denn die lassen sich von uns Vorlesern beim gemeinsamen Durchblättern anpassen. Bilder transportieren Gefühle, unterstützen Geschichten, beflügeln unsere Fantasie und verankern sich in unserem Gedächtnis. Wenn ich an ein Kinderbuch denke, erinnere ich mich vor allem an die Figuren, die Farben und Emotionen, die in mir ausgelöst wurden. Immer wieder schaue ich mir mit meinen Jungs (3 und 5) Wimmelbücher oder auch Bilderbücher wie „Der kleine Gorilla“ an, die komplett auf Texte verzichten. Keine KI kann leisten, was uns Illustrator*innen mit ihrer Kunst schenken.
🐧 Sind bei den Wimmelbüchern auch die von Ali Mitgutsch dabei, dem Vater der Wimmelbücher?
🐶 Die Bücher kennen wir zwar auch, aber tatsächlich sprechen mich die Illustrationen gar nicht so sehr an. Beim minedition Verlag ist vor einiger Zeit „Es wimmelt nur so von Tieren“ erschienen. Ein wirklich ulkiges Tierbuch mit Eis schleckenden Robben, Karaoke singenden Orkas und einem Nashorn, das ein Mammut frisiert. Wir mögen es vor allem ausgefallen und humorvoll. Aber auch „Wir alle im Stadtgewimmel“ von Kari Klima und Isabelle Göntgen finde ich klasse. Wenn du auf der Suche nach Vielfalt in Büchern bist, dann solltest du nach diesem Bilderbuch greifen. Hier findest du die verschiedensten Menschen. Der übergewichtige Rockmusik-Fan, der schon in jungen Jahren einen Rollator schiebt, gleichgeschlechtliche Paare, Männer in Damenkleidung, eine Frau ohne Unterarme oder auch den ausgehagerten Rentner, der in Mülltonnen nach Pfandflaschen sucht. Ich liebe es, wenn noch Aufgaben im Buch zu finden sind, wie in „Wilfrieds und Alberts Total verrückte Jagd“ von Lomp. Hier begleiten wir 2 Forscherfreunde auf der Suche nach einem neu entdeckten Schmetterling durch die Wüste, den Dschungel und die Lüfte und erleben, wie sie unterwegs versuchen, den anderen auszustechen. Vorhersehbare Bücher langweilen mich schnell.
🐧 Du schreibst in Deinem Blog so ganz nebenbei, dass Dir selber nicht viel vorgelesen wurde, wie kommt es aber, dass es Dir jetzt wichtig ist selber viel vorzulesen?
🐶 Ich kann dir gar nicht genau sagen, warum mir kaum vorgelesen wurde. Erst wenn du Kinder hast, kommen meist die Fragen zu deiner eigenen Kindheit auf, um sie mit der deines eigenen Sohnes zu vergleichen. Dies war bei mir leider nicht möglich. Meine Mutter ist vor 6 Jahren an Demenz erkrankt und hat schon im frühen Stadium das Sprechen verlernt. Aber ich erinnere mich, dass sie immer alles gegeben hat. Mit 3 Kindern, Job und einem selbständigen Mann, der erst spät nach Hause kam, hatte sie viel um die Ohren. Als ich dann selbst lesen konnte, hat sie mich aber häufig, wenn ich krank war, mit einem Buch überrascht, das ich dann direkt verschlungen habe.
Dann endlich wurde ich Mutter: Mein Großer (5) war gerade 4 Monate alt, als Corona über uns alle einbrach. Ich hatte also damals viel Zeit, mich mit Erziehung und Förderung von Kindern zu beschäftigen. Den Wortschatz erweitern, der Fantasie Flügel zu verleihen und die gemeinsame Zeit gemütlich mit Lesen zu verbringen, waren und sind mir Herzensanliegen. Immer wieder flattern Schmetterlinge aufgeregt in meinem Bauch, wenn ich begeistert beobachten darf, dass meine Jungs selbständig nach den Büchern greifen. Es gibt Tage, an denen ich bis zu 10 Geschichten vorlese. Meine kleinen Leseratten begleiten mich gerne in Bibliotheken und spielen immer wieder gerne Szenen aus Büchern nach. Schon morgens starte ich mit einem Buch in den Tag, indem ich meinen Söhnen in der Kita vorlese. Und natürlich gibt es auch keinen Abend, an dem wir hier nicht lesen. Es ist unser aller Leidenschaft, die uns nochmal ganz viel Raum zum Erzählen, Kuscheln und Fantasieren gibt.
Ich bin auch überzeugt davon, dass vor allem das Kuscheln, die Zeit miteinander und das Teilen der Fantasien das Wertvolle an Geschichten ist.
🐧 Abenteuer, Weltraum, Ninja, Feuerwehr, Dinosaurier, da sind so ein paar Themen dabei, ich bezeichne sie mal als eher Themen für Jungen. Du hast nun zwei Jungs, denen Du vorliest. Meinst Du, wenn Du zwei Mädchen hättest, dass Deine Buchauswahl anders aussehen würde? (Ich sehe natürlich auch, dass Du das NeinHorn dabei hast, das ist jetzt nicht typisch Mädchen, aber immerhin ist da ein Einhorn – aber die Pferdebücher und Feen sind nicht so recht vertreten, wobei ich zugeben muss, ich bin nicht bis ganz runter gescrollt)
🐶 Das stimmt. Das ist mir verschuldet. Ich war nie großer Fan von Pferden, Conni oder diesen zuckersüßen Feen. Mein Jüngster (3) liebt Rosa, Peppa Wutz und glitzrige Bücher, aber ich stelle tatsächlich möglichst nur die Titel vor, die auch mich begeistern. Es gab eine Zeit, in der ich nur Geschichten rundum Fahrzeuge vorlesen sollte. Das habe ich irgendwann verweigert und uns andere Themen zugelegt. Und tatsächlich konnte ich die zwei auch mit diesen Geschichten begeistern und ihnen eine neue Welt eröffnen. Fußball ist zum Beispiel so ein Thema, zu dem wir hier kaum ein Buch haben. Dinos hingegen interessieren mich auch sehr und die Begeisterung für das spannende Thema Weltraum wurde mit dem Lesen der ersten Sachbücher ebenfalls entfacht. Ich finde es schade, dass vielen Mädchen oft die immer gleichen niedlichen Geschichten vorgelesen werden. Wir wünschen uns mehr Vielfalt für unsere Kinder, aber drängen sie selbst in Muster. Gerade beim Besuch von Büchereien haben wir die Chance, unsere Söhne und Töchter frei wählen zu lassen und ihre eigenen Vorlieben zu entwickeln. Ich finde es aber auch wichtig, seine eigenen Interessen dabei nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn mein Sohn also mit Star Wars um die Ecke kommt, darf es mein Mann gerne vorlesen.
🐧 Wir haben zumindest abends versucht uns das Vorlesen aufzuteilen. An manchen Tagen nach der Arbeit war ich allerdings nicht mehr so in der Stimmung, da haben wir vor der Weltkarte am Kinderbett gesessen und uns eher Geschichten gemeinsam ausgedacht. So ist halt auch die eine Grundlage zu unserem Kinderbuch entstanden. Aber zurück zu euch, teilst Du Dir mit Deinem Mann die Gute-Nacht-Geschichte in etwa gleich auf?
🐶 Tatsächlich ist mein Mann selten Zuhause. Es gibt Monate, in denen er 2-3 Wochen am Stück beruflich unterwegs ist. Entsprechend eng ist die Bindung zwischen den Jungs und mir. Ich bin immer erste Wahl. Vor allem auch beim Schlafen. Und mein sehr sensibler Sohn (5), der sich oft schwer tut, die Tage zu verarbeiten, braucht abends sehr lange, bis er zur Ruhe kommt. Wir haben schon einiges ausprobiert, aber am meisten helfen ihm Vorlesen und Hörspiele. Du kannst dir vorstellen: ich kann an einer Hand abzählen, wie oft ich in den letzten 5 Jahren abends aus war.
Aber wir wissen alle: diese Zeit geht so schnell vorbei und ich genieße es wahnsinnig! Natürlich gibt es auch Abende, an denen ich darauf hinfiebere, endlich ins Bett zu fallen und mich noch ein wenig vom TV berieseln zu lassen. Aber ansonsten plane ich meine Abendgestaltung entsprechend und stelle mich darauf ein, dass es spät werden kann.
Geschichten selbst erfinden? Machen wir auch immer wieder gerne, aber eher tagsüber. Abends bin ich oft zu platt und nicht mehr kreativ genug. Allzu oft fallen mir dabei dann die Augen zu.
🐧 Haben Deine Kinder eine Geschichte, die Du immer und immer wieder vorlesen musstest?
🐶 „Lenny Hunter“! Ein großes Abenteuer aus der Feder von Thilo! Mein Sohn ist bis heute hin und weg und mittlerweile steht das Buch in den Regalen all seiner Freunde! Allzu oft haben wir Szenen schon im Garten nachgespielt. Mit Pfeil und Bogen, Kompass und Taschenlampe. Als Fans haben wir natürlich auch den Gürtel und weitere Accessoires, die in unserem Abenteurerrucksack nicht fehlen dürfen.
Aber auch „Hase Hollywood“ von Simon und Stefan Rasch ist hier wahnsinnig beliebt. Eine echte Überraschung mit grandiosen Illustrationen und einer aufregenden, sehr humorvollen Geschichte rundum den zurückhaltenden, äußerst sympathischen Hasen. Wahnsinnig fantasievoll und unterhaltsam. Ein recht dicker Wälzer, den wir an einem Wochenende gelesen haben.
Axel Scheffler ist natürlich ein absolutes Muss: „Der Grüffelo“ und „Zogg“ waren schwer angesagt, als meine älteste Büchermaus 2,5 Jahre war. Mein jetzt Dreijähriger mag hingegen die „Bagger Ben“-Bücher und „Der Vergessenstag“ von Madlen Ottenschläger.
Zu unseren Highlights zählt aber auch „Monster, Monster fast umsonster“. Jan Kaiser schreibt so tolle Kinderbücher mit sehr gelungenen Reimen, die ich immer wieder gerne vorlese, ohne dass ich mich langweile. Und hier lernen wir eine Vielzahl an Monstern kennen, die so einiges zu bieten haben. Während das handwerklich wahnsinnig begabt ist, kann das andere den Haushalt schmeißen und gleichzeitig die Kinder betreuen und Essen kochen. Wenn dann noch Julia Nüsch ihre Illustrationen dazu beisteuert, ist es für uns ein äußerst gelungenes Bilderbuch!
🐧 Seit ihr vielleicht auch Fan von einer Illustratorin oder einem Illustrator?
🐶 Mir fällt es total schwer, mich festzulegen, muss ich sagen. Natürlich sind wir riesige Fans von Silvio Neuendorf. Lenny Hunter ist unser Held und wir haben auch schon eine seiner Zeichnungen eingerahmt an der Kinderzimmerwand hängen. Aber auch Nini Alaska überzeugt mit ihren zuckersüßen sowie frechen Kreationen und Julia Nüsch hat uns ganz wundervolle Welten eröffnet. In der Reihe „Wovon träumst du?“ hat sie sich mit ihren Illustrationen sofort in mein Herz geschlichen. Sie ist so talentiert und ihr Stil unverkennbar.
🐧 Silvio Neuendorf hatte ich auch schon erwähnt, aber auch Nini Alaska durfte ich schon interviewen. Das freut mich natürlich, dass die bei euch im Regal stehen und gelesen werden.
Liest Du lieber laut vor, für Deine Kinder oder verschlingst Du genauso gerne auch mal einen Roman ganz für Dich?
🐶 Ich lese wahnsinnig gerne vor! Ich liebe es, mit meinen Jungs in Geschichten zu versinken. Abends bin ich oft ziemlich ausgelaugt, deshalb nutze ich morgens immer die Zeit zwischen 5 und 6 Uhr, wenn ich dann schon wach sein sollte und lese tatsächlich super gerne Jugendbücher. Ich mochte schon immer John Green. Aber auch Fantasy gefällt mir wahnsinnig gut. Aktuell lese ich den zweiten Teil zu „Schule der Meisterdiebe“. Und ich freue mich schon sehr auf die weiteren Bände von „Thirteen Witches“. Der erste Teil ging mir unter die Haut und ich bin mir sicher, auch diese Teile werden es wieder in sich haben.
🐧 Was machst Du sonst?
🐶 Im wahren Leben arbeite ich im Marketing. Privat mache ich gerne Yoga, fahre wahnsinnig gerne Fahrrad. An der Grenze zu Holland klappt das auch ziemlich gut. Es ist eben und die Landschaft einmalig. Mit meiner Familie bin ich einfach lieber in der Natur unterwegs als in irgendwelchen Parks oder auf Veranstaltungen. Mit unserem Hund Frieda gehe ich super gerne spazieren und nutze dafür auch gerne mal den Cityroller, sodass sie sich auch ordentlich austoben kann. Ansonsten basteln wir gerne, werkeln und schaffen im Garten. Große Ahnung habe ich nicht wirklich vom Gärtnern. Wir wohnen seit 7 Jahren in unserem Haus und immer wieder setze ich neue Pflanzen und freue mich wie Bolle, zu beobachten, wie sich alles entwickelt. Apps helfen mir bei der Pflege. Mir ist nur wichtig, dass sich viele Tiere in unserem Garten willkommen fühlen.
Früher bin ich mit meinem Mann aber auch alleine super gerne gereist. Wir waren in Kambodscha, Thailand, Italien, Ungarn, und einigen weiteren Ländern. Meine absolute Lieblingsstadt ist allerdings Lissabon. Für mich ein absoluter Lieblingsort, den ich meinen Jungs auch unbedingt noch zeigen möchte. Da die zwei jedoch ungerne lange Auto fahren, bewegen wir uns in der Regel in einem Umkreis von bis zu 3 Stunden. Seit diesem Jahr sind wir mit dem Wohnwagen unterwegs und lieben es! Eigentlich wären wir gerade aus dem Urlaub im Allgäu zurück - mit mehreren Stationen - doch dann kam meinem Mann ein schwerer Bandscheibenvorfall dazwischen. Nun hoffen wir auf Ende August. Ein Stellplatz mitten im saarländischen Wald ist schon gebucht.
3 Stunden nach Lissabon wird schwierig, aber wenn man jeden Tag 3 Stunden dran hängt, dann klappt das in ca. 8 Tagen. Aber vielleicht ist das einfach etwas für ein bisschen später.
🐧 Wir wissen längst, dass Du sehr gerne liest und sogar vor allem Kinder und Jugendliteratur. Aber wie sieht es mit unserer Kalle Pinguin Geschichte aus, welches ist Dein Lieblings-Tier aus DIE NOT IST GROSS, EINER MUSS LOS?
🐶 Natürlich gefällt mit Kalle am besten. Er wagt sich raus in die Welt und begegnet den anderen Tieren mit Offenheit. So findet er schnell neue Freunde. Gleichzeitig erinnert er sich aber auch, dass es Zuhause am schönsten ist. So geht es mir auch oft. Ich wohne zwar nicht mehr in meiner ursprünglichen Heimat im Sauerland, aber am Niederrhein habe ich mein Zuhause gefunden, wo ich mich wohl fühle und nach einem aufregenden Urlaub immer wieder gerne zurückkehre. Nunja, aufs Auspacken und Wäsche waschen könnte ich natürlich verzichten.